Esther – 83

Esther – 83

Sie war wunderschön. Die Frau, die Eric mit einem Wangenkuss begrüßte, war wahrscheinlich die schönste Frau, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Sie hatte lange dunkle Haare, die ihr sanft über die Schultern fielen und trug ein goldfarbenes Spitzenkleid, das sich zart um ihren Körper schlang. Ihre Haut schimmerte passend zu ihrem Kleid und sie war mindestens einen Kopf größer als ich – und mit einer Traumfigur ausgestattet, wie ich sie bisher nur aus Hochglanzmagazinen kannte. Ihr Dekolleté war dezent, aber Simons Kopf schien darin versinken zu wollen.

„Natascha“, sagte Eric rau.

„Wie schön, dich wiederzusehen“, erwiderte sie und selbst ihre Stimme klang bezaubernd. Ihre grünen Augen fixierten Eric und plötzlich fühlte ich mich klein und dick und wusste wieder, dass ich nicht in diese Welt gehörte.

„Natascha, Eric!“, rief in dem Moment ein Fotograf, der anscheinend zur Veranstaltung gehörte. Es war ein älterer Mann mit grauem Bart und er stellte sich gegenüber von uns hin. Simon und Flo wichen automatisch zur Seite, und ich wollte es ihnen gleichtun, aber Eric hielt mich fest.

„Nur ein Foto, die Fans lieben die Fotos von euch beiden“, sagte der Fotograf und Natascha stellte sich neben Eric, sodass er jetzt zwischen uns beiden stand. Der bärtige Mann knipste ein paar Mal. „Danke“, sagte er und verschwand dann wieder im Getümmel.

Ich hoffte, dass ich dieses Foto nie zu Gesicht bekommen würde und war erleichtert, als Flo plötzlich wieder neben mir stand.

„Ich bin Flo“, sagte sie in die seltsame Situation hinein und nippte an ihrem Champagner, als würde sie jeden Tag nichts anderes tun.

„Schön, dich kennenzulernen, Flo“, entgegnete Natascha.

„Und das ist Esther und Simon, mein Manager“, erklärte Eric und deutete auf uns beide.

Simon grinste über beide Ohren. „Du bist in echt doch echt noch viel schöner, als in den Magazinen“, sagte er und Natascha lächelte. „Danke“, erwiderte sie bescheiden und wandte sich dann wieder Eric zu. „Du hast meine Nummer“, hörte ich sie etwas leiser sagen und dann nickte sie uns noch einmal zu, bevor sie sich und ihre Schönheit wieder unter die Leute mischte.

Eric leerte sein Champagnerglas in einem Zug und ich fühlte mich völlig fehl am Platz.

Simon schien jemanden in der Menge zu erkennen und tippte Eric auf die Schulter. „Der Veranstalter, komm kurz mit.“

Eric schüttelte den Kopf. „Nein, ich bleibe hier.“

„Ach, Eric“, versuchte es Simon noch einmal. „Es ist wichtig und kostet dich nur eine Minute deines Lebens. Also – jetzt hab dich nicht so. Es geht um die Vision.“

Eric ignorierte Simon, und es war irgendwie klar, dass er mich jetzt nicht allein lassen wollte.

„Geh nur“, bestärkte ich ihn. „Wir warten inzwischen hier.“

„Sicher?“, fragte er und wirkte selbst etwas unsicher, so als hätte ihn die Begegnung mit Natascha auch aus dem Gleichgewicht gebracht.

„Sicher“, sagte ich und lächelte, obwohl mir überhaupt nicht nach Lächeln zumute war.

 

„So gut sieht sie gar nicht aus“, bemerkte Flo, als Simon und Eric verschwunden waren.

Ich betrachtete Flo ungläubig. „Das ist süß, du musst mich aber nicht anlügen“, sagte ich und seufzte. „Ich habe noch nie eine so schöne Frau gesehen.“

„So schön ist sie nicht“, wiederholte Flo stoisch und brachte mich damit beinahe zum Lachen. „Ich meine, du weißt doch gar nicht, wie sie“, sie machte mit der Hand eine kreisrunde Bewegung über ihr Gesicht, „wie sie unter dem ganzen Make-up aussieht. Da sind sicher Tonnen von Schminke drauf, wahrscheinlich auch noch irgendwelche Implantate, und ich will gar nicht wissen, was sie sich alles spritzen hat lassen. Ich sage dir, Esther, wenn du der morgens im Bad begegnest, riecht die auch nicht nach Rosen.“

Ich nippte an meinem Glas und fühlte einen kleinen Klumpen in meinem Magen. „Da bin ich mir bei ihr nicht so sicher.“

„Ach, Esther“, machte Flo und schnappte sich ein neues Glas Champagner von dem Tablett eines Kellners, während er ihr das leere Glas abnahm. „Er ist mit dir da, und nicht mit ihr.“

„Aber er war sicher auch schon mal mit ihr hier.“

„Hier?“, fragte sie.

„Nein, nicht hier“, erwiderte ich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich meine, er war sicher auch mit ihr auf solchen Veranstaltungen.“ Ich nahm einen Schluck von meinem Glas. „Sie ist doch das Unterwäschemodel, nicht wahr?“

 

8 thoughts on “Esther – 83

  1. ??????ich hasse Natasha!!! Sie pfuscht am Selbstbewusstsein von meiner lieben Esther rum
    Aber das Eric sie nicht allein lassen möchte is voll sweet❤❤❤

  2. Natasha ist eine Schl…. und mehr nicht. ? Esther hat es nicht verdient wegen so einer wieder in Selbstzweifel zu versinken. Ich habe diese Natasha schon gehasst als ich das erste mal von ihr las

  3. Oh Gott, ich kann Esther so sehr verstehen. Bei so viel Prominenz und Schönheit käme ich mir auch wie ein graues Mäuschen vor. Aber Flo hat recht, bestimmt sieht sie morgens aus wie jede andere auch.

  4. ich lese gerade die bücher nochmal neu und bin gerade an dem punkt, als casimir lee und ben die liebe genommen hat und lee wieder in ihrer wohnung in der schwarz weißen stadt ist und einen albtraum(?) hat. und in dem traum kommt eine frau vor, die auf ihrem himmelbett sitzt und stundenlang geweint hat und sich dann selber umbringt glaube ich mit pillen. kann es sein, dass natasha sich das leben genommen hat und als esther dann gestorben ist natasha auch gestorben ist und dann lee das aussehen von natasha bekommen hat ? oder hab ich da jetzt was falsch verstanden ? 😀 ich liebe den blogroman btw :3

    1. Liebe Lynnilein,
      um Deine Frage zu beantworten, müssen wir spoilern. Also bitte nicht weiterlesen, wenn das jemand nicht möchte.

      ***SPOILER***
      Die Frau aus Lees Traum ist Thaya in ihrer menschlichen Gestalt. Am Ende des Buches löst sich auf, dass Lee, Ben und Thaya einem Traumtauschzauber erlegen sind, der sie die Träume des anderen haben ließ. Und die Szenen aus dem Traum sind Thayas Erinnerungen, die ein sehr unglückliches Leben geführt hat. Natascha hat in diesem Fall nichts damit zu tun.
      ***SPOILER ENDE***

      Wir hoffen, wir konnten etwas Klarheit schaffen 🙂
      Liebe Grüße, Ulli & Carmen

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