Eric – sechzehn

Eric – sechzehn

Ein paar Tage später ging ich wieder hin. Und als die Abrissbirne gegen die verdammte Hausfront knallte, explodierte gleichzeitig etwas in meinem Inneren, etwas, das sich nach tiefem Hass anfühlte.

Als die Abrissbirne ein zweites Mal gegen die Mauer krachte stellte ich mir vor, dass er noch drin war. Die Ziegelsteine rumpelten auf die Erde und ich sah vor mir, wie sie auf seinen Körper fielen und ihn für immer unter sich begruben, wie sie sein Footballshirt und seine Sandalen verschütteten – und ich lächelte.

 

Später traf ich mich mit den Jungs in der Kneipe, die früher unser Stammlokal gewesen war. Sie waren beide dieselben geblieben, nur älter und fetter und teilweise mit weniger Haaren.

„Ihr seht scheiße aus“, sagte ich zur Begrüßung.

Marco johlte und Joe zog mich in eine verschwitzte Umarmung.

„Reicht schon“, sagte ich.

„Du siehst aber auch nicht besser aus. Geld macht anscheinend wirklich nicht glücklich.“

„Witzig“, knurrte ich und winkte der Bedienung. Sie war eine von diesen Solariumtussen, die so aussahen, als ob sie sich mit brauner Schuhcreme schminken würden, aber wenigstens kannte sie mich nicht, und das machte sie mir gleich sympathischer.

„Einen doppelten Scotch“, bestellte ich. „Für meine Freunde dasselbe.“ Die Solariumtante verschwand und brachte kurz darauf die Getränke, Marco zog sein Handy und machte ein Foto von mir.

„Hey, was soll das?“, murrte ich.

„Na, was wohl? Muss doch mit dir angeben.“

„Er hat ja früher schon immer mit dir angegeben“, mischte sich Joe ein. „Selbst in der Schule. Weißt du noch, wie er deine Zeichnungen damals für Kaugummi vertickt hat?“

„Machst du das noch immer?“, fragte ich.

„Was? Zeichnungen klauen?“

„Ne. Sachen verticken.“

Marco schüttelte den Kopf. „Darf ich nicht mehr. Ich werde nämlich demnächst Vater.“

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Scotch.

„Du? Vater?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ja, Mann, was soll ich sagen. Sie wollte halt unbedingt …“

„Lass das“, sagte ich kalt. „Du kriegst ein Kind. Da redet man nicht so abfällig.“

Die beiden schauten sich seltsam an und ich bestellte mir noch einen. Es war eine scheiß Idee gewesen herzukommen, das wusste ich jetzt.

Ohne ein Wort zu sagen, stand ich auf und ging schwankend aufs Klo. Das Waschbecken war zersprungen und sah aus, als hinge es schon seit sechzig Jahren an dieser Wand. Müde ließ ich Wasser einlaufen und schüttete mir was von dem kalten Zeug ins Gesicht. Meine Augen waren total leer und dann hörte ich, wie sie draußen mein Lied spielten. Den hysterischen Lacher von Joe konnte ich bis hier rein hören und ich fragte mich, wie es dazu hatte kommen können, dass alle so voll waren, voll mit irgendwelchen Emotionen, mit irgendwelchen Wünschen und irgendwelchen Sehnsüchten.

Die Leere starrte mir aus meinem Gesicht entgegen, sie sprang mich geradezu an und ich wusste, ich könnte jetzt da rausgehen und die Solariumtante knallen. Ich könnte mich auch so lange mit den Jungs besaufen, bis ich es irgendwann nicht mehr spürte. Ich könnte rausgehen und mir die Pulsadern aufschneiden, auch das war eine Möglichkeit. Keine, die ich wollte, aber ich hatte die Wahl zu tun, was immer ich wollte.

Die Bulldogge hatte wahrscheinlich genau das gemeint. Ich konnte mich entscheiden.

Ich wartete noch eine Weile, dann ging ich zu den Jungs raus.

„Hey.“ Ich stützte mich auf den Tisch auf und sah ihnen ins Gesicht. „Ich hab ne Idee. Lasst uns ein Auto klauen.“

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