Eric – achtundvierzig

Eric – achtundvierzig

Ich wollte ihn umbringen. Ich wollte diesen verdammten Scheißkerl umbringen und seine Sippe gleich dazu, als er Esther eine Bitch nannte.

Mein Denken setzte aus, ich wollte ihm einfach nur weh tun. Es war wie damals auf der Straße, als der Penner dieses fremde Mädchen angespuckt hatte, das mich an Esther erinnerte, einfach nur, weil sie ihm zu wenig Geld gegeben hatte. Damals hatte ich mir eine Vorstrafe wegen Körperverletzung eingefangen, aber verdammt, ich hatte es nie bereut, ihm eine verpasst zu haben. Und auch jetzt würde ich es nicht bereuen, das wusste ich, als ich schnell und hart zuschlug. Esther keuchte erstickt auf und der Typ stöhnte, als meine Faust in sein beschissenes Gesicht krachte. Irgendjemand sprang mich von hinten an, der Scheißer hatte also seine Freunde dabei und ein paar Leute schrien irgendwas, während ein Unterarm von hinten gegen meine Kehle drückte. Der Scheißkerl von vorhin taumelte in meine Richtung und dann holte er aus und hieb mir in den Magen. Ich krümmte mich zusammen und sah, wie Esther zu mir lief. Sie versuchte, ihn von mir wegzuzerren, doch der zweite Typ hielt mich noch immer so fest umklammert, dass ich mich kaum bewegen konnte.

„Fass mich nicht an!“, brüllte der Typ, dem ich die Nase blutig geschlagen hatte, und dann gab er Esther einen Stoß, der sie zu Boden gehen ließ. Ich hörte eine Frau schreien, sah sie da mit schreckensgeweiteten Augen am Boden liegen und fühlte, wie mich so ein Hass überkam, wie ich ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Ich rammte dem Typen hinter mir den Ellbogen in die Rippen und tauchte unter seinem beschissenen Arm hindurch. Dann stürzte ich mich auf dieses Arschloch, der mein Mädchen angefasst hatte, und prügelte so lange auf ihn ein, bis mich die Polizisten von ihm wegzerrten.

 

Auf dem Revier stellten mir die Cops immer wieder dieselben abgefuckten Fragen, die mich einen Scheißdreck interessierten. Ich saß nur da und starrte in die linke hintere Ecke des Wachzimmers, während sie auf mich einredeten und ich mit den Gedanken ganz woanders war. Ich hatte schon nach meinem Anwalt verlangt, mehr musste ich nicht tun, und so hatte ich Zeit, dazusitzen und an Esther zu denken.

Fuck, der Moment, als dieser Typ sie angefasst hatte, hatte sich in meine Synapsen gebrannt und irgendetwas sagte mir, dass ich so nicht weitermachen konnte. Ich hatte nie viel auf den Scheiß von Gott und Seele und einem Leben nach dem Tod gegeben, aber etwas in mir glaubte an meine innere Stimme. Manchmal hatte ich einfach so ein Bauchgefühl und ich war nur so weit nach oben gekommen, weil ich ihm immer bedingungslos gefolgt war. Und jetzt sagte mein beschissener Bauch, dass es Zeit war, was zu ändern, dass ich so nicht leben konnte, dass ich so mit ihr nicht leben konnte.

Wahrscheinlich waren die Medien jetzt schon voll mit meinem Ausraster und mir war klar, dass jetzt auch sie auf der Straße erkannt werden würde. Die beschissenen Paparazzi würden sie auf Schritt und Tritt verfolgen, würden sie mit ihren verfluchten Fragen quälen und ihr Tag und Nacht auf die Pelle rücken, ob sie wollte oder nicht.

Sie verdiente es nicht, so ein Leben zu führen. Fuck, ich konnte doch nicht einfach so hergehen und ihr ganzes beschissenes Leben zerstören. Die scheiß Publicity machte jeden fertig, ich kannte niemanden in dem Business, den das nicht anfuckte, und jeder ging anders damit um. Die einen nahmen Drogen, die anderen betäubten sich mit Alkohol, manche mit Sex. Fast alle wurden depressiv und manche auch größenwahnsinnig.

Aber nicht Esther. Ich konnte und wollte mir so ein Leben für sie nicht vorstellen. Sie war rein, sie war wie eine weiße Schneeflocke im Winter, bevor die Menschen kamen und sie in dreckigen Matsch verwandelten. Sie hatte das nicht verdient, und ich konnte nicht hier sitzen und erwarten, dass sie meinetwegen alles hinschmiss und sich auf die verrückte Scheiße einließ.

Außerdem hatte sie mir ja schon gesagt, dass sie das nicht konnte. Das tat am meisten weh, es fühlte sich an, als wäre da ein brüllendes Loch in meiner Brust, aber verdammt, hier ging es jetzt nicht um mich.

Der glatzköpfige Bulle vor mir starrte mich aus seinen rotgeräderten Augen an und ich hatte keinen Dunst, was er von mir wollte. Ich hatte keinen Dunst und es war mir auch egal, denn das Einzige, was zählte, war Esther. Und ihretwegen hatte ich gerade die schwerste Entscheidung in meinem ganzen beschissenen Leben gefällt.

2 thoughts on “Eric – achtundvierzig

  1. Liebe Carmen, liebe Ulli
    Gestern habe ich begonnen, diesen Blogroman zu lesen, jetzt bin ich hier!
    Ich finde diese Geschichte und auch überhaupt die Idee des Blogromans unglaublich unbeschreiblich. Vielen Dank für diese wunderbare Geschichte!!
    Liebe Grüsse aus der ?? Valérie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top