Eric – 100

Eric – 100

„Krieg ich auch ein Autogramm?“, fragte der Typ mit dem Fahrradhelm und wenn ich nicht auf schnellstem Weg zu Esther gewollt hätte, dann hätte ich mich jetzt umgedreht und ihn einfach stehen gelassen.

„Hör zu“, presste ich hervor. „Meinetwegen unterschreib auch auf deinem verdammten Fahrradsattel, aber ich muss jetzt wirklich los. Also Deal?“

Er nickte und ich drückte ihm die Schlüssel zu meinem Auto in die Hand. Dann schnappte ich mir sein altes Rad und blickte nicht zurück, während ich über den Bürgersteig in Richtung des Parks bretterte, der eine Abkürzung darstellte.

 

Knappe fünf Minuten später erreichte ich die ersten Absperrungen, vor denen sich die Menschenmassen drängten. Der rote Teppich war von hier aus kaum zu erkennen und ich fluchte, da ich keinen Plan hatte, wie ich an den ganzen Leuten vorbeikommen sollte. In dem Moment entdeckte mich ein junges Mädchen, kaum älter als Zoe, das ungläubig zu kreischen anfing. Innerhalb weniger Sekunden waren Dutzende Handykameras auf mich gerichtet und es dauerte nicht lange, bis die Security auf uns aufmerksam wurde.

„Hey. Ich suche nach einem Schleichweg zur Preisverleihung“, erklärte ich den Fans vor der Absperrung, und war selbst überrascht, als ein paar von ihnen grinsten und tatsächlich Platz machten, um mich durchzulassen.

„Eric, ich liebe dich!“ – „Der ist doch nicht echt.“ – „Mach ein Foto mit mir!“, brüllten die Mädels durcheinander und ich war froh, als ich mich bis zur Security durchgekämpft hatte, wo zwei Gorillas aufpassten, dass mir keine durchgeknallten Groupies über die Metallabsperrung folgten.

„Oh mein Gott, da ist Eric Adams, aber wo sind die Jungs aus NEBEN?“, rief in dem Moment eine stark geschminkte Frau in einem knallengen weißen Kostüm und deutete aufgeregt in meine Richtung. Sie stand nur ein paar Meter entfernt zu Seiten des roten Teppichs und interviewte die Musiker, die bei ihr vorbeikamen. Nun gab sie ihrem Kameramann einen Wink, ihr zu folgen und kam auf mich zu.

„Melissa Donaway, von GlamSociety!“, stellte sie sich atemlos vor und bedachte mich mit einem strahlenden Lächeln, das mir am Arsch vorbeiging.

„Es ist gerade ungünstig“, erwiderte ich mit zusammengekniffenen Augen, während ich versuchte, Esther ausfindig zu machen. Allerdings war das in dem Gewusel gar nicht so einfach. Nicht nur, dass der rote Teppich voller Menschen war – er beschrieb auch einen weiten Bogen, der ihn noch unübersichtlicher machte.

„Nur eine Frage, Eric!“, rief die Journalistin, doch ich ließ sie kurzerhand stehen und drängte mich an ihrem Kameramann vorbei in Richtung des kleinen Menschenauflaufs, aus dem vereinzelt immer wieder Nataschas Name gerufen wurde. Dabei ging meine Pumpe schneller, denn ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sich Esther in diesem beschissenen Zirkus fühlen musste. Verdammt, ich hätte Simon nicht erlauben dürfen, sie hierherzubringen, ohne nochmal mit ihr zu sprechen.

In dem Moment sah ich Natascha. Sie wurde von den Fotografen umringt und sonnte sich in deren Aufmerksamkeit, als ob sie eine der Nominierten wäre. Nur die wenigsten wussten, dass Natascha zu den unmusikalischsten Menschen des Landes gehörte. Unwillkürlich musste ich grinsen, als ich mich an ihren Gesang unter meiner Dusche zurückerinnerte – und an ihren Gesichtsausdruck, als ich sie gefragt hatte, ob sie sich beim Rasieren geschnitten oder sonst wie wehgetan hatte.

In diesem Moment fing Natascha meinen Blick auf und interpretierte mein Lächeln offenbar völlig falsch, denn sie begann zu strahlen und winkte mir zu. Aufgrund ihrer beschissenen Reaktion wurden jetzt auch noch die Fotografen auf mich aufmerksam und es dauerte genau zwei Kacksekunden, bis sie nicht nur ihren, sondern auch noch meinen Namen brüllten. Am liebsten hätte ich sie einfach schreien lassen und wäre abgehauen, aber das konnte ich nicht bringen – nicht, so lange ich nicht wusste, wo Esther war und ob es ihr gut ging.

Fluchend setzte ich mich in Bewegung. Dabei dachte ich auch an die Jungs und dass ich mit ihnen ebenfalls noch Fotos machen musste, bevor wir reingingen.

„Natascha, Eric, ein Foto!“, schallte es über den roten Teppich und ich sah, wie Natascha mir in einer perfekten inszenierten Geste die Hand entgegenstreckte, als mein Blick nach rechts glitt und ich in die verletzten Augen der verdammt noch mal schönsten Frau des Universums blickte.

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