Esther – 155

Esther – 155

Verdammt. Das lief nicht so wie geplant.

Das lief überhaupt nicht so wie geplant.

Keuchend klammerte ich mich am Seitengriff von Simons Wagen fest, während Erics Manager schwungvoll wendete und den Parkplatz vor dem Waldstück verließ.

„Keine Sorge.“ Er warf uns einen schmunzelnden Blick über die Schulter zu. „Alles wird gut. Das ist nicht das erste Mal, dass ich eine schwangere Frau ins Krankenhaus fahre.“

„Quatsch weniger und konzentrier dich auf die Straße“, schnappte Eric, der neben mir auf dem Rücksitz saß und dessen Nervosität von Minute zu Minute größer zu werden schien.

„Alles klar.“ Simon wirkte nicht im Mindesten beleidigt, als er den Blick nach vorn richtete und aufs Gas trat. „Werdender-Vater-Syndrom. Kenne ich ebenfalls.“

Eric atmete beherrscht durch, während ich eine neue Wehe anrollen spürte. Sie machte sich zuerst als einfaches Ziehen in meinem unteren Rücken bemerkbar, bevor der Schmerz folgte, den ich auf dieselbe Art wegzuatmen versuchte, wie man es uns im Geburtsvorbereitungskurs gezeigt hatte.

Allerdings war die Atemtechnik ohne verkrampfende Gebärmutter wesentlich effektiver gewesen.

„Links. Du musst hier links abbiegen!“, fauchte Eric, der sein Handy mit dem Routenplaner gezückt hatte, als Simon Anstalten machte, in die falsche Richtung zu fahren.

„Sorry. Ich bin wohl doch ein bisschen nervös.“

Simon räusperte sich vernehmlich und bog schlitternd nach links ab, während ich aus dem Fenster schaute. Die abgebrannte Scheune auf der großen Wiese flog gerade an uns vorüber, ebenso wie einige Windräder und sanfte Hügel in der Ferne.

Als die Wehe schwächer wurde, schloss ich für einen Moment die Augen. So hatte ich mir meinen Hochzeitstag nicht vorgestellt. Eric aber sicherlich auch nicht.

„Alles okay?“, fragte ich ihn leise, da er noch immer auf das Handydisplay mit der Route zum Krankenhaus starrte, als ob es die Antworten auf alle Fragen des Lebens bereithielt.

Er sah fahrig auf und drückte meine Hand. „Was? Ja, natürlich. Die Frage sollte eigentlich ich dir stellen.“

„Es geht mir gut.“

„Sicher?“

Nickend streichelte ich ihm über seine glatt rasierte Wange. „Ich liebe dich.“

„Ich dich auch.“

„Mal sehen, ob du ihn noch liebst, wenn du in den Presswehen liegst“, bemerkte Simon vom Fahrersitz aus.

„Danke für diesen hilfreichen Kommentar“, schnaufte Eric.

Bei dem Blick, den er Simon zuwarf, musste ich lachen. „Ich werde dich auch lieben, wenn ich in den Presswehen liege“, versprach ich ihm. „Es kann nur sein, dass ich es dann nicht so gut zeigen kann.“

„Meine Schwester hatte auch Schwierigkeiten, es zu zeigen“, erzählte Simon, während er routiniert einen Kleinwagen vor uns überholte. „Mein Schwager hat zum Glück nicht alles verstanden, was sie ihn im Laufe der Geburt genannt hat, da er ziemlich damit beschäftigt war, den Anblick zu verarbeiten.“

„Was für einen Anblick?“, fragte ich, während ich mich auf dem Sitz versteifte, als die nächste Wehe anrollte. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass die Abstände beim ersten Mal nicht so schnell aufeinanderfolgen würden.

„Na, ihr wisst schon.“ Simon warf uns einen kurzen Blick über den Rückspiegel zu. „Den Anblick dort unten. Ist nicht immer so leicht, das zu verkraften.“

„Das reicht jetzt“, donnerte Eric, der das Handy in seiner Hand so fest umklammert hielt, als würde er es zerbrechen wollen.

„Tut mir leid, ich sage nur, wie es ist“, erwiderte Simon unbeeindruckt. „Ihr solltet euch vielleicht überlegen, ob es nicht mehr Sinn macht, euch während der Geburt nur in die Augen zu schauen. Esther hat schließlich sehr schöne Augen.“

„Danke“, erwiderte ich gepresst, da die Wehe knapp davorstand, ihren Höhepunkt zu erreichen.“

Eric stieß entnervt die Luft aus. „Es war ein Fehler, dich zu bitten, uns zu fahren.“

„Das sagst du jetzt“, erwiderte Simon mit einem breiten Lächeln. „Aber wenn das Baby mal da ist, wirst du mir dankend in die Arme fallen.“

„Niemals“, knurrte Eric.

„Ach, du wirst schon sehen.“ Simon zwinkerte ihm zu, bevor er auf ein Straßenschild deutete, auf dem der Name des nächsten Krankenhauses stand. „Seht mal, wir sind gleich da.“

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