Eric – drei

Eric – drei

Mein Schädel dröhnte und das beschissene Handy schrie, schrill und aufdringlich, wer diesen Ton komponiert hatte, gehörte erschossen. Ich drehte mich zur Seite, aber der Scheiß hörte nicht auf, es wurde immer lauter und dann fiel auch noch die Tür ins Schloss, mit einem fetten Knall, was war das hier für eine verdammte Geräuschkulisse. Wenigstens hatten die Mädels so viel Hirn, um gleich abzuhauen. Ich hasste es, wenn sie blieben, wenn sie glaubten, dass wir noch zusammen frühstücken und unsere Lebensgeschichten austauschen würden. Die Namenlose hatte eine Flasche nach der anderen geleert, die hatte es ganz schön drauf, Mann, war die beweglich, dafür hatte die Dunkelhaarige wenigstens große Titten.

Ich griff nach dem scheiß Handy und richtete mich auf. Natürlich war es Chris, das hätte ich schon an dem beschissenen Ton hören müssen.

„Ja, Chris“, murmelte ich schlaftrunken. „Was willst du?“

„Scheinst eine harte Nacht gehabt zu haben, Eric“, sagte Chris mit seiner verdammten Vorwurfsstimme, die er schon mit dreizehn draufgehabt hatte. „Wenigstens gehst du ans Telefon. Mann, ich habe dich gestern Abend zehn Mal angerufen. Deine Mutter liegt im Krankenhaus, sie hat sich den Fuß gebrochen.“

„Dann schick ihr halt ein paar Blumen oder kauf ihr was. Sie ist deine Tante, wenn’s um die Kohle geht … kannst du von mir haben.“

Ich hörte, wie Chris tief die Luft einzog. „Es geht mir nicht ums Geld. Sie würde dich gern sehen, sie fühlt sich allein und es geht ihr nicht gut. Gib dir einen Ruck und besuch sie. Sie hat es nicht verdient, dass du dich gar nicht mehr bei ihr blicken lässt“, erklärte er mir und ich hätte auf der Stelle kotzen können.

„Nein, ich werde sie nicht besuchen“, sagte ich, „ich hab morgen wieder einen Gig.“

„Aber Eric … sie ist deine Mutter.“

„Ist mir egal.“

Chris machte eine kurze Pause. „Eric“, sagte er etwas leiser, „sie macht sich totale Vorwürfe, was alles passiert ist. Es tut ihr leid, und wenn sie es rückgängig machen könnte … sie will doch nur eine zweite Chance. Jeder verdient doch irgendwie eine zweite Chance. Ich dachte mir, dass wir sie vielleicht zusammen besuchen …“

Mir wurde kotzübel und ich wollte den Scheiß nicht hören, ich wollte den Scheiß von einer zweiten Chance und das Gelaber über die Vergangenheit nicht hören, ich wollte mir weder ihr trauriges Gesicht, noch ihren von den eigenen Vorwürfen geschwächten Körper reinziehen, darauf hatte ich echt keinen Bock. Sie musste mir jetzt nicht damit kommen, dafür war es zu spät.

Ich griff nach der Whiskeyflasche, schüttete was davon in ein Glas, nahm einen tiefen Schluck, der in der Kehle brannte, und warf mir dazu ein paar von Noahs Pillen ein.

„Mach einfach, was du willst, ich will sie nicht sehen“, herrschte ich Chris an und schmiss das Handy in die Ecke.

Am liebsten hätte ich die ganze Suite auseinandergenommen. Am liebsten wäre ich jetzt aufgestanden, hätte die Tische aus dem Fenster geschmissen, den Flachbildfernseher eingetreten oder einen von den Hotelleuten verdroschen.

 

„Eric, wir könnten die Tour noch größer machen“, sagte Alex und fuhr sich durch seine hellbraunen Haare. Dann machte er es sich auf der Couch bequem.

„Hast du sie dir wachsen lassen?“, fragte ich und hockte mich mit meinem Whiskeyglas auf den Designerstuhl daneben, der geil aussah, aber scheiße unbequem war und mich an die Schwarzhaarige von gestern Nacht denken ließ.

„Ja. Findest du’s gut?“, fragte er zurück und strich sich über seinen grauen Anzug. Selbst seine Schuhe waren poliert und glänzten wie sein ganzes, verdammtes Büro. So ein Typ hätte mir früher nicht mal eine Zigarette gegeben.

„Nein. Musst du jetzt auch noch meine scheiß Frisur imitieren?“, fuckte ich ihn an.

Alex zuckte mit den Schultern. „Miese Nacht gehabt?“

„Mieses Leben“, antwortete ich hart.

„Du könntest einen Song drüber schreiben“, erwiderte der Scheißkerl trocken.

„Damit du noch mehr Kohle scheffelst?“, fragte ich und legte die Füße auf den Tisch.

„Deine Fans lieben deine Texte“, versuchte er meiner Frage auszuweichen, „und sie lieben dich, Eric. Ohne dich wäre die Band nichts. Du bist die Band.“

„Ich weiß.“

6 thoughts on “Eric – drei

  1. OK, er ist manchmal echt ein Kotzbrocken, was ihn definitiv zum Ekeltyp qualifiziert ?

    Mir gefällt der Vergleich der Schwarzhaarigen mit dem Designerstuhl, hat mich gut unterhalten ?

    Wieder ein toller Blogpost!
    Jetzt bis Dienstag warten =(

  2. … da mussten wir beim Drüberlesen selbst noch schmunzeln … ist etwas anders geschrieben als die Acht Sinne, aber die Charaktere haben einfach danach verlangt 🙂
    Viele Grüße, Carmen & Ulli

  3. Hallo Carmen, hallo Ulli oder soll ich Rose Snow sagen? 🙂

    Ich bin vor einer Woche im Kindel auf eure Buchreihe „Acht Sinne“ gestoßen und ich liebe sie!!! 🙂
    Ich hab in fünf Tagen alle fünf Teile gelesen (jeden Tag einen, und falls Schule war auch im Unterricht haha^^) und bin für eine Woche sozugen nicht mehr ansprechbar gewesen, da ich voll und ganz in eine „Lee-Ben-Welt der 8 Sinne“ getaucht bin.

    Als ich den 5ten Band fertig gelesen hab und mit Freude herausfand, dass ihr einen Blogroman angefangen habt, war ich nichtmehr ganz so traurig, dass ich auf den nächsten Band warten muss.
    Wie sagt man nicht so schön: Vorfreude ist die schönste Freude 🙂 🙂
    Vorallem, wenn einem zweimal die Woche das Warten auch noch mit einem tollen Blogroman versüßt wird.

    Kurz gesagt: Ich liebe euren Schreibstil und eure, scheinbar, unbegrente Fantasie! Großes Kompliment an euch beide!!!
    Ich kann den 6ten Band, sowie die nächsten Blogromane nicht erwarten! 🙂
    Ich hoffe ich konnte euch mit dem Kommentar ein bisschen den Tag versüßen, so wie ihr es mit euren Büchern bei mit tut! 🙂

    Lg Antonia

    1. Liebe Antonia, und wie Du uns den Tag versüßt hast!!! Genau diese Art von Kommentaren haben uns motiviert, den Blogroman ins Leben zu rufen 🙂 Und auch bei dem tristen Wetter, das uns draußen erwartet, werden wir heute mit einem fetten Grinsen durch die Gegend laufen – vielen Dank dafür! Viele Grüße, Carmen & Ulli

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